Anregungen zum liturgischen Sprechen

Den richtigen Ton treffen
Warum ein Hochgebet anders als eine Lesung klingen soll – eine Anregung zur Förderung der ars celebrandi

von Thomas Schumacher (2010)

An welchen Kriterien lässt sich ermessen, inwiefern etwa das Hochgebet im konkreten Einzelfall als gut gesprochen gilt oder worin Verbesserungen bestehen könnten? Ist es damit getan, dass der Hauptzelebrant laut, klar und deutlich spricht? Ist das Hochgebet auf andere Weise zu sprechen als z.B. das Tagesgebet, und dieses wiederum anders als die Gebetseinladung? Welche Anforderungen stellt der Vortrag der Schrifttexte an die Sprechweise? Und inwiefern unterscheiden sich diese von den Anforderungen an die Sprechweise für das vertrauensvolle Wort in der Homilie?
Auf derartige Fragen findet sich in den Allgemeinen Einführungen oder in den Rubriken keine Antwort. Regelungen, soweit sie heute existieren, beziehen sich insbesondere auf Qualitäten wie Sprachverständlichkeit oder Deutlichkeit der Sprache. Ausdrücklich geben vereinzelte Rubriken im aktuellen Römischen Messbuch von 2002 Hinweise etwa auf vernehmliches Sprechen „distincte et aperte” (z.B. bei den Herrenworten) oder auf halblaute Stimme „submissa voce“ (z.B. bei der Berakah der Gabenbereitung), während z.B. bei der Sanctus-Akklamation eine zusammenklingende und klare Stimme gefordert („clara voce“, „una voce“).
Das Missale von 1962 enthielt eine erheblich größere Menge an einzelnen rubrizierten Regieanweisungen wie etwa „clara voce“ oder „intelligibili voce“ bzw. für das Stillgebet „dicit secreto“. Dazwischen fanden sich neben der Anweisung für halblautes Sprechen („submissa voce“) Feinheiten wie etwa „voce paululum elevata“ oder „elata aliquantulum voce“. Allen diesen subtilen, die Sprache betreffenden Regieanweisungen war gemeinsam, dass sie auf Lautstärke, Vernehmbarkeit oder Deutlichkeit abzielten, die oben gestellten Fragen nach der jeweils anzuwendenden Sprechweise jedoch nicht zu kennen scheinen.
Mt Blick auf den Vortrag des Wortes Gottes innerhalb der Eucharistiefeier geht die Pastorale Einführung in das Messlektionar (1981) immerhin einen Schritt weiter, da sie auch den sinngemäßen Vortrag anmahnt: „Die Lektoren sollen die biblischen Texte laut, deutlich und sinngemäß vortragen. Dies trägt viel dazu bei, der Gemeinde das Wort Gottes richtig zu vermitteln“ (Nr. 14). Und Nr. 55 derselben Pastoralen Einführung fordert gar eine „technische Schulung“ für die Lektoren, um diese mit der erforderlichen Kunst vertraut zu machen, vor der Gemeinde zu lesen und dabei die eigene Stimme richtig einzusetzen.
Was es allerdings bedeutet, die eigene Stimme im Vollzug der Feier der Liturgie „richtig“ einzusetzen, ergibt sich weit weniger aus ausdrücklichen Rubriken als vielmehr aus dem Eigencharakter der jeweiligen liturgischen Texte selbst. Macht man sich zudem bewusst, dass das Sprechen (analog: das Singen) als Element von Liturgie per se Gegenstand aktiver Gestaltung ist – und auch ignorante nicht-Gestaltung nichts anderes als schlechte Gestaltung bedeuten würde – so stellt sich die Frage nach den jeweils konkret erforderlichen Sprechweisen in voller Schärfe.
E contrario besteht durchaus Konsens in der Feststellung, dass Herunterleiern, Märchenerzählton oder Moralton den Anforderungen an eine liturgiegerechte Sprechweise schlechterdings nicht genügen. Umgekehrt erscheint es daher durchaus angemessen, bestimmte Anforderungen an die Sprechweise gemäß dem jeweiligen Eigencharakter der einzelnen liturgischen Textgattungen zumindest ansatzweise oder richtungsweisend in positiver Hinsicht zu bestimmen, wobei ein derartiger Entwurf lediglich einige Anregungen bieten, aber nicht abschließend sein kann.

Modus proclamandi als Grundform

Die Grundhaltung beim liturgischen Sprechen insgesamt bestimmt sich gemäß der inneren Verfasstheit des Wesens der Kirche. Diese ist, pneumatisch konstituiert, auf innigste Weise mit Jesus Christus verbunden und steht zusammen mit diesem vor dem Angesicht des Vaters, hineingehoben zur eschatologischen Teilhabe an Gottes eigenem Leben. Als solche lebt die Kirche aus der Eucharistie, dem Inbegriff der Sendung Jesu dar. Tatsächlich vollzieht die Kirche in der liturgischen Feier der Eucharistie – und von hier aus analog auch in den übrigen liturgischen Feiern – auf realsymbolische Weise genau das Geheimnis, worin sie selbst gründet.
Sie tut dies 1. im Modus der Anamnese, d.h. der realisierenden Erinnerung, worin sie sich partizipativ in Jesu geschichtlich vollbrachtes, geschichtstranszendierend vollendetes Werk verortet und sich darin vergegenwärtigt. Sie tut dies 2. im Modus der Epiklese, worin sie um diese Anteilgabe bittet. Und sie tut dies 3. im Modus der lobpreisenden Danksagung (Eucharistia) bzw. des danksagenden Lobpreises (Eulogia). So erscheint die Feier der Eucharistie als realsymbolische Zeichenhandlung schlechthin: als anamnetisch-epikletischer Vollzug im Modus eucharistisch-eulogischen Gedenkens, worin die Kirche Anteil an Jesus Christus und seiner Koinonia mit dem Vater im Heiligen Geist feierlich erbittet und ihrer wirklich teilhaftig wird.
Die Kirche steht in der Welt, ist aber nicht von der Welt, sondern weist über diese hinaus auf ihren Herrn, der in Leiden und Tod, seiner Auferweckung von den Toten und seiner Vollendung in der Herrlichkeit des Vaters die Welt überwunden hat. Soweit die Kirche noch in dieser Welt steht, verkündet sie das Evangelium, und legt Zeugnis ab von ihrem Herrn. So ist die Kirche aufgerichtet inmitten der Welt, als Zeichen unter den Völkern, und stellt „das im Mysterium schon gegenwärtige Rech Christi“ (LG 3), Keim und Anfang der Basileia auf Erden (LG 5) dar. Als pilgerndes Gottesvolk entlang der welthaft-horizontalen Geschichte bleibt die Kirche auf Christus, in dem sie gründet, gleich dem ankommenden Bräutigam ausgerichtet. In der Wirklichkeit der Kirche wird die wirkmächtige Gegenwart des Herrn zum sakramentalen Ereignis.
Von hier aus bestimmt sich der Modus proclamandi nicht nur als Grundform christlicher Existenz, sondern auch als Grundverfasstheit für die Feier der Liturgie, insbesondere der Eucharistie. Insofern macht es auch für die Sprache durchaus einen wesentlichen Unterschied, ob man die eschatologisch-präsentische Feier der Großtat Gottes symbolisch real begeht oder ob man mit alltäglichen Dingen, die von dieser Welt sind, befasst ist; ob man alltagssprachlich telefoniert, konferiert, feiert, klagt, gute Worte zuspricht oder ob man – nicht nur aus eigenen Stücken, sondern eschatologisch-real – Jesus Christus als den gestorbenen-auferwekten-erhöhten Herrn proklamiert, und zwar doxologisch zum Lobpreis Gottes und so zugleich zum Zeugnis vor aller Welt.
Diese Proklamation aber ist nicht eigentlich menschliches, sondern in erster Linie pneumatisches Tun. Entsprechend dem Zusammenstimmen von Gnade und Freiheit in der Person des Gläubigen, entsprechend der Übereinkunft aus Ergriffensein durch den Geist einerseits und dem freien Akt der kreatürlichen Antwort andererseits („sich-ergreifen-Lassen“) gilt dieses Zusammenstimmen auch für jegliches Handeln im Vollzug der Liturgie. Wen auch der Mensch mit seiner Stimme betet, so ist es doch noch zuvor, grundlegend und dies ermöglichend das Flehen des Geistes, der für uns eintritt.

Praktische Konsequenzen für das liturgische Sprechen

Die praktischen Konsequenzen für das liturgische Sprechen lassen sich wohl eher zielorientiert umschreiben als klar beschreiben. Es ist schon viel gewonnen, wenn man sich von neuem überhaupt bewusst macht, dass es unterschiedliche Gattungen liturgischer Texte gibt und dass diese unterschiedlichen Textgattungen – gleichsam aus innerer Notwendigkeit – auch jeweils entsprechende Sprechweisen erfordern. Auch auf der Orgel bringt man schließlich einen Bach anders zum Klingen als einen Reger oder einen Messiaen – und zwar sowohl durch unterschiedlichen Registereinsatz als auch durch eine unterscheidende Spielweise: die Artikulation.
doxologisches Sprechen: Gott hat die Dinge gemacht, damit sie sind – zum Lob seiner Herrlichkeit. Das in der gottesdienstlichen Feier als Gemeinschaft der Kirche versammelte Volk Gottes steht mit Christus im Geist vor dem Angesicht des Vaters. Gott verherrlichend, ihn preisend ob seiner Herrlichkeit, ihn selbst anbetend und ihn ob seiner Großtat magnifical-hocherhebend, bringt die Kirche den Lobpreis dar. Sie tut dies zwar mit eigenen Worten (auch die liturgischen Texte einschließlich der sog. Herrenworte sind derart eigene, kirchliche Worte, deren Genese nicht außer acht bleiben kann) und mal in diesem oder in jenem kontingenten Stil, sie vollbringt jedoch in diesem Akt des Lobpreises nicht etwas eigenes, sondern lässt sich hineinnehmen in das eschatologische Präsens Christi, der im Geist mit dem Vater trinitarisch-perichoretisch eins ist. Diesen Lobpreis bringt die das Hochgebet beschließende Doxologie exemplarisch zum Ausdruck: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist Dir Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit. Amen.“
Das doxologische Sprechen erfordert eine Sprechweise, die gleichsam im eschatologischen Präsens festgemacht ist, in welches die Kirche im Vollzug der gottesdienstlichen Feier symbolisch-real hineingehoben ist, und vom Eschaton her erklingt. Dieses Sprechen sollte einen Abglanz dessen zur Darstellung bringen, was es heißt, zwar noch in der Welt, aber nicht mehr von dieser Welt zu sein. Der eschatologische Lobpreis der Kirche steht gleichsam vertikal zur geschichtlich dahinfließenden Zeit. Diesem Lobpreis eignet der Charakter der reinen Gegenwart Gottes, zu deren Teilhabe die Kreatur sakramental erhoben ist. Dem doxologischen Sprechen eignet insofern ein alle Zeit transzendierender Gegenwartsklang, ein Sprechen, welches in sich ruhend auf Gott ausgerichtet ist. Ein Merkmal dieses eschatologisch-präsentischen Sprechens ist das Gleichmaß (≠ monoton), welches dem alltagssprachlichen gewöhnlichen Sprechen auch stilistisch enthoben scheint. Es geht um ein Gleichmaß, das nach Ewigkeit schmecken soll, weil die liturgische Doxologie de facto realiter – nämlich pneumatisch – im eschatologischen Präsens erfolgt. Ein derart hymnisch-lobpreisendes gleichmäßiges, dem eschatologischen Präsens konformes Sprechen, welchem selbstredend jegliches alltagssprachliche Verhaspeln wesensfremd ist, macht es gerade möglich, dass alle Versammelten in den durch Worte vorgetragenen Lobpreis um so besser auch selbst innerlich mit einstimmen und daran teilnehmen können, wenn hinderliche Sprechrhythmen oder andere anstößige Artikulationselemente dem um so weniger entgegenstehen.
Dieses doxologische Sprechen bezieht sich insbesondere auf die Doxologie zum Abschluss des Hochgebets, ebenso auf die  Präfation bzw. auf das gesamte Hochgebet, auf alle weitere Gebetsrede (Präsidialgebete, Kyrie-Huldigungsrufe und Gloria, Akklamationen, Vater Unser) einschließlich des Allgemeinen Gebets. Bei letzterem wir deutlich, dass nicht nur der Hauptzelebrant, sondern auch Diakone bzw. Lektoren/Fürbttensprecher sich in die Kunst doxologischen Sprechens einzufinden haben.
In einem analogen Sinn trifft der Charakter des doxologisch-proklamativen Sprechens auch auf die übrigen Teile zu, die nicht – wie z.B. kurze Einführungsworte – pastoral oder explikativ an die Versammelten gerichtet sind. Das initiale „Im Namen des Vaters“ ist also ebenso proklamativ, eschatologisch-präsentisch zu sprechen wie Gebetseinladungen oder die pneumatischen Dialoge „Der Herr sei mit euch“. Die Anforderungen doxologisch-proklamativen Sprechens gelten also für all jene Teile, soweit bei diesen nicht ein weiterer spezifischer Eigencharakter in den Vordergrund tritt (z.B. Epiklese, Anamnese, Lektions-Verkündigung, Homilie).

epikletisches Sprechen
Das epikletische Spechen stellt – wie auch das anamnetische Pendant – eine Unterform des doxologisch-proklamativen Sprechens dar. Die Epiklese bestimmt korrespondierend zur Anamnese das Hochgebet. Exemplarisch kommt sie zum Ausdruck in der Bitte „Sende Deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie [...]“ sowie in den übrigen Bitten innerhalb und außerhalb des Hochgebets. Auch die Orationen sind wesentlich Epiklesen, gleichwohl ihnen normalerweise ein anamnetischer Halbsatz innewohnt, der die nachfolgende Bitte ökonomisch verankert. Beim Vortrag von Epiklesen sollte der Bittcharakter zumindest grundsätzlich wahrnehmbar sein. Schließlich bedeutet die Formulierung einer Bitte etwas anderes als etwa die nachrichtliche Mitteilung eines Ereignisses. Wenn man zwischenmenschlich eine aufrichtige Bitte an jemanden richtet, dann wird ein gewisser Bittcharakter in der Sprache vernehmbar, dem die Aufrichtigkeit der Bitte und deren für mich bedeutsames Angelegensein eignet. Eine derart für mich bedeutsame Bitte trägt einen anderen, schwerwiegenderen Charakter als etwa die bittende Aufforderung, am Esstisch den Brotkorb weiterzureichen oder ein eher adhortatives „sugar, please“. Ersteres, nicht letzteres, stellt eine Brücke dar zur Epiklese. Die Epiklese lässt sich nicht einfach so abspulen; dabei ginge das existentielle Angelegensein vollends verloren, welches der Epiklese jedoch in eminenterer Weise zukommt als jedem anderen Anliegen von dieser Welt. Epikletisch – und nicht nur epiklesegerecht – zu sprechen bedeutet insofern, die betreffende Bitte wahrlich existentiell mit dem eigenen Leben zu vertreten. Von hier aus möge der Vortrag der Epiklese seine Färbung erhalten. Die aufrichtig innere Haltung, in der man spricht, färbt ab auf die Art und Weise, wie man spricht. Es geht beim epikletischen Sprechen – wie auch bei den anderen liturgischen Sprechweisen – also nicht eigentlich bzw. nicht in erster Linie um Sprechtechnik, sondern um Wahrheit: um den aufrichtigen leiblich-konkreten Ausdruck des vor-Gott-Stehens.

anamnetisches Sprechen
Das anamnetische Sprechen bedeutet mehr und anderes als nur erinnerndes Sprechen. Die Anamnese erinnert keineswegs rückblickend an bloß Vergangenes, sondern sie artikuliert die Großtat Gottes als solche ggf. mit Blick auf bestimmte Aspekte dieser Heilsgeschichte. Insofern ist die Anamnese per se eschatologisch präsentisch. Die Anamnese bringt nicht auf magische Weise ein damals ins Jetzt, sondern umgekehrt: die die Kirche repräsentierende liturgische Versammlung wird eingeborgen in das eschatologische Präsens des erhöhten Herrn – und zwar auf pneumatische Weise. In diese heilgeschichtlich wirklich gewordene, eschatologisch vollbrachte Großtat ist die liturgische Versammlung kraft des Geistes aktual mitten hineingestellt, teilnehmend am eschatologischen Präsens des erhöhten Herrn. Die Anamnese stellt insofern den pneumatisch begründeten Modus dar, in dem die Kirche eschatologisch-präsent Gott für seine heilgeschichtliche Großtat lobpreist. Sie stellt den Modus dar, in dem sie epikletisch zu bitten vermag. Anamnese und Epiklese entsprechen einander wechselseitig.
Die sprachliche Artikulation dieser Großtat bzw. bestimmter heilsgeschichtlich spezifischer Aspekte dieser Großtat trägt also nicht eigentlich den Charakter eines geschichtlichen Rückblicks, sondern den eines proklamativen Präsens. Der gesprochene Vortrag der Anamnese darf also nach Möglichkeit nicht klingen, wie man vergangene Geschichten erzählt – selbst wenn deren Bedeutung ins jetzt hineinreicht. Anamnese muss den gravitätischen Geschmack des eschatologischen Präsens vermitteln, in dessen Perspektive man auf die eschatologisch vollbrachte Großtat staunend-ehrfürchtig hinblickt. Die Anamnese wird artikuliert in dem festen Bewusstsein, dass man hineingehoben ist in die eschatologisch-präsentische Gegenwart dieser Großtat. Für eben diese Großtat preist man Gott magnifical. Das anamnetische Sprechen ist insofern ein dankbares Vergegenwärtigen. In existentieller Dankbarkeit bezeugt das anamnetische Sprechen Gottes Großtat. Der Charakter dieses Zeugnisses ist der eines dankbaren Lobpreises, am ehesten vergleichbar mit dem authentisch und ganzpersonal vorgetragenen Zeugnis darüber, wie man selbst vor einer akten Todesgefahr gerettet worden ist. Hiervon fließt das Herz geradezu über. Dieses dankbar überfließende Herz ist das Kennzeichen der anamnetischen Sprechweise.

Vortrag der Schrifttexte

Auch der Vortrag der Schrifttexte stellt eine bestimmte Form anamnetischen Sprechens dar, sind diese doch von ihrer Natur her keine Protokollaufzeichnungen, sondern erzählte Heilsgeschichte, worin das Zeugnis der Zeugen einen verbindlichen Niederschlag erfahren hat. Dabei wird „Schreibe“ wieder versprachlicht und im Jetzt artikuliert. Die Lektoren und Diakone tragen die ihnen vorgegebenen Texte aus dem Alten und Neuen Testament vor. Da dies Worte sind, die andere Zeugen vor ihnen formuliert haben, ergibt sich notwendigerweise eine gewisse Distanz zwischen Sprecher und gesprochenem Wort. Zugleich aber macht sich die Versammlung dieses Wort zueigen. Für den Vortrag der Schriftlesungen impliziert der besondere Zeugnischarakter dieser Texte, dass sie weder gemäß einem nachrichtlich rückblickenden Bericht vergangener Fakten vorzutragen sind noch im Sinne erzählter Mythen, sondern allein im Vollzug der Verkündigung, dass Jesus der Christus ist.

homiletisches Sprechen
Eine eigene Kategorie liturgischer Sprechweise stellt das vom Vorsteher direkt an die Versammelten gerichtete Wort dar, wie es in der Homilie oder analog ggf. in kurzen pastoralen Einführungen,  Erklärungen o.ä. begegnet. Zwar sind auch diese Worte Bestandteil der liturgischen Feier, allerdings liegt bei dieser Rede der Akzent auf der horizontalen Sprachrichtung. Entsprechend der Zielsetzung derartiger Rede, zu erklären, auszulegen oder einzuführen, resultiert eine Sprechweise, die dem alltäglichen Sprechen von allen Arten liturgischen Sprechens am nächsten kommt. Im Fall der Homilie lässt sich diese als das vertraute Sprechen gleich einem väterlichen Freund unter Brüder und Schwestern im Herrn umschreiben.

Ein Derivat dieses Textes ist erschienen in Gd 44 (2010) 153-155

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