Anregungen zur Synodalisierung und Dezentralisierung bei der Neugestaltung der sog. Römischen Kurie (Kurienreform, Kardinalsrat)
von Thomas Schumacher (2015/2017)

Die Kirche ist auf dem Weg ihrer irdischen Pilgerschaft aufgrund ihrer »komplexen Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst […] zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig« (LG 8). Unter dem Eindruck offenkundiger Defizite hat auf Basis der Initiative von Papst Franziskus (13. April 2013; 28. September 2013) der Kardinalsrat mit einer Überprüfung all jener Dikasterien nach Art und Zahl sowie ihrer Arbeitsweise begonnen, welche bisher unter der Bezeichnung »Römische Kurie» zusammengefasst sind. Erste Ergebnisse zeigen sich etwa in der Einrichtung des Wirtschaftssekretariats sowie in der Einrichtung eines Dikasteriums für den Dienst an der »Ganzheitlichen Entwicklung des Menschen« im Licht des Evangeliums, worin das Engagement für soziale Gerechtigkeit und für einen schonenden Umgang mit der Natur zusammengefasst sind (17.08.2016). Weitere künftige Maßnahmen wie etwa die Fusionierung einzelner bestehender Dikasterien oder die Einrichtung neuer Dikasterien würden möglicherweise die Arbeitsweise im Detail verbessern, dabei aber dennoch hinter der eigentlichen Herausforderung zurückbleiben, welche aus dem Wesen der Kirche resultiert, die als komplexer Organismus nicht anders als in und aus Teilkirchen besteht. So kommen einige sehr grundlegende Aspekte der Reform in den Blick, welche sich aus dem Dienstcharakter der römischen Dikasterien an der Weltkirche und an den Ortskirchen ergeben, welche nachfolgend als Anregungen formuliert werden entsprechend der wesenhaften Verschränkung von Weltkirche und Teilkirchen.

Kurienreform analog zur »Bekehrung des Papsttums«
Die Kurienreform verhält sich im Kontext der dem Wesen der Kirche entsprechenden pastoralen Neuausrichtung analog zur »Bekehrung des Papsttums« (EG 32). Während ein Papazentrismus im Kulturkampf des 19. Jhd. eine römische Kurie nach Art eines Hofstaats beförderte, so folgt die zu erneuernde Gestalt der gesamtkirchlichen Einrichtungen der zu erneuernden Form der Primatsausübung durch den Bischof von Rom, welcher in seiner Person den Dienst an der Einheit verkörpert.
Dementsprechend sind auch die gesamtkirchlichen Einrichtungen von ihrer Verfassung her nicht als Organisationseinheiten »neben« den Teilkirchen zu verorten, sondern entsprechend dem koinonialen Zusammenwirken aller Teilkirchen in der einen katholischen Kirche. Dies legt es nahe, Elemente einer modernen Projektorganisation und virtuellen Organisation zur Anwendung zu bringen, wie sie in global agierenden Unternehmen heute verbreitet sind und sich bewähren.

Ausrichtung am Kollegial- oder Synodalprinzip
»Die Synodalität als konstitutive Dimension der Kirche bietet uns den geeignetsten Interpretationsrahmen für das Verständnis des hierarchischen Dienstes selbst. [...] In einer synodalen Kirche ist die Bischofssynode nur der sichtbarste Ausdruck einer Dynamik der Gemeinschaft, die alle kirchlichen Entscheidungen inspiriert« (Papst Franziskus, Ansprache zur 50-Jahr-Feier zur Errichtung der Bischofssynode vom 17.10.2015). Die Kongregationen sind zwar bereits heute als Versammlungen ihrer Mitglieder verfasst. Eine gewisse Schieflage aber resultiert wohl insbesondere aus einem de facto Übergewicht des kurialen Mitarbeiterstabs vor der synodalen Versammlung der Mitglieder. Für die Neugestaltung der gesamtkirchlichen Einrichtungen sollte der »Weg der Synodalität« in jeder einzelnen gesamtkirchlichen Einrichtung prägend werden. Jedes Dikasterium würde so zu einer „Synode im Kleinen“ umgestaltet, deren ernannte Mitglieder die Aufgaben des jeweiligen Dikasteriums selbst wahrnehmen: teilweise im Plenum, teilweise in Ausschüssen oder in themenbezogenen Untergruppen usw. Weitere Mitarbeiter könnten projektweise und lediglich unterstützend hinzugezogen werden.

An die Stelle von Zentralbehörden treten jeweils kollegial arbeitende synodale Gremien, welche entsprechend der Kollegialität des Amtes cum Petro et sub Petro ihren Dienst verrichten.
Das Staatssekretariat gewährleistet etwa durch Spiegelreferate die Anbindung der synodal verfassten Gremien an das Petrusamt. Der Papst selbst könnte wertschöpfend an ausgewählten Versammlungen teilnehmen statt förmliche Audienzen zu gewähren.
Eine Unterscheidung zwischen Kongregationen und Räten wird obsolet, sobald alle gesamtkirchlichen Einrichtungen kongregational, kollegial, synodal verfasst werden.
Die Unterschiede zwischen den Einrichtungen bemessen sich an ihrem Themenbereich sowie an der Anzahl und an der Bedeutung der jeweils berufenen Mitglieder.

Ausrichtung an Personprinzip: Amtierende Ortsbischöfe als Präfekten oder Präsidenten
Wie das Amt des Bischofs, auch des Bischofs von Rom, von seiner wesenhaften Verfassung her stets auf eine konkrete Teilkirche bezogen ist, so sollen auch die Leiter der gesamtkirchlichen Einrichtungen den Dienst als Diözesanbischof zugleich weiterhin ausüben und nicht davon entpflichtet werden. Falls dies im Einzelfall erforderlich ist, können sie zu ihrer Entlastung bei der Ausübung ihres Dienstes in den ihnen anvertrauten Diözesen durch einen Auxiliarbischof oder einen Vikar zusätzliche Unterstützung erhalten, um den erforderlichen Freiraum für die Ausübung der gesamtkirchlichen Aufgaben zu gewährleisten.
Der Leiter einer jeden gesamtkirchlichen Einrichtung rekrutiert einen kleinen Mitarbeiterstab, welcher teilweise nach Art einer Geschäftsstelle in Rom verortet sein kann, teilweise am Bischofssitz des jeweiligen Leiters oder an einem anderen geeigneten Ort seinen Dienst verrichtet. Dem Mitarbeiterstab kommt jedoch eine ausschließlich unterstützende Funktion für die Mitglieder der jeweiligen Einrichtung zu.
Die Leitung der gesamtkirchlichen Einrichtung sowie jede Mitgliedschaft in dieser erfolgt für einen Zeitraum von fünf Jahren. Nach Ablauf dieser Periode kann der Betreffende erneut berufen werden oder er steht wieder vollständig für seinen Dienst in der Ortskirche zur Verfügung.

»heilsame Dezentralisierung« (EG 16)
«Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik anstatt zu helfen» (EG 32).
Themen oder Vorgänge, die nicht direkt den primatialen Dienst an der Einheit betreffen, können auf der Ebene der Ortskirchen oder Bischofskonferenzen verantwortet werden. Daraus resultiert eine beträchtliche Reduzierung des Mengengerüsts der bisher in der Römischen Kurie verorteten Aufgaben.
Eine weitere Form von Dezentraliserung und eine gewisse Erdung ergibt sich automatisch aus der fortwährenden Teilkirchenaufgabe aller Mitglieder sowie des Leiters einer jeden gesamtkirchlichen Einrichtung, sofern diese als Diözesanbischöfe im Amt bleiben.

dynamische Flexibilisierung
Gesamtkirchliche Einrichtungen in einer derart synodalen und projektorganisatorischen Form lassen sich entsprechend den sich stellenden Aufgaben flexibel einrichten oder wieder aufheben. Einige Themenbereiche wie Glaubenslehre oder Gottesdienst dürften organisatorisch eher konstant fortbestehen, während andere Organisatioseinheiten wie etwa zu Klimawandel, Migration oder Missbrauch temporär eingerichtet werden, solange die Problematik fortdauert.

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