vernachlässigtes Argument aus der Theologie der Eucharistie
in der Frage um die Kommunionzulassung sog. Wiederverheiratet-Geschiedener

Über die Frage der Nichtzulassung von zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl wird eine heftige Auseinandersetzung geführt. Die Kontroverse ist nicht neu. Seit Beginn des 20. Jhd. rezidivierend, hat sie sich in mehreren Wellenbewegungen zugespitzt.
Einmal mehr werden nunmehr die außerordentliche Bischofssynode 2014 und die ordentliche Versammlung 2015 im Kontext der Beratungen um Ehe und Familie auch mit dieser Problematik befasst. Über Fragestellungen zur Ehe hinaus betrifft die Frage der Nichtzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl eine komplexe Thematik, welche die kirchenrecht­liche Interpretation der cann. 915 und 916 CIC/1983, die mit diesen Canones einhergehende dogmatische sowie moraltheologiesche Frage nach Wesen und Beurteilung der Sünde sowie grundlegend die dogmatische Frage nach der Theologie der Eucharistie, den Zusammenhang von Kirchengliedschaft und Eucharistiekoinonia sowie deren pneumatische Verankerung in der Gnade umfasst.
Zur Steigerung der Komplexität trägt bei, dass in der Kontroverse keineswegs etwa die grundlegenden theolo­gischen und kirchenrechtlichen Fragen im Vordergrund stehen, sondern die Auseinandersetzung von Vorstellun­gen überlagert wird. Auf der einen Seite richtet sich der Fokus auf die pastorale Dringlichkeit angesichts der Realität insbesondere in industrialisierten und postindustri­ellen Gesellschaften, in denen statistisch gesehen mehr als jede dritte Ehe geschieden wird, während zugleich immer weniger Lebenspartnerschaften überhaupt in einer institu­tionalisierten Form von »Ehe« geschlossen werden, zumal die Form der Lebenspartnerschaft nicht mehr gesellschaft­lich normiert oder sanktioniert begegnet. Eine lebenslange Partnerschaft ist gesellschaftlich de facto nicht mehr die Regel. Diese Entwicklung macht auch nicht vor gläubigen Christen halt. Auf der anderen Seite stehen jene, welche die Unauflöslichkeit der Ehe als Sakrament unterstreichen, eine Wesenseigenschaft, die von ersterer Gruppe, welche den Ruf nach Barmherzigkeit erhebt, übrigens nicht oder zumindest normalerweise nicht geleugnet wird. So reden die Konfliktparteien weitgehend aneinander vorbei, solan­ge sie nicht die grundlegenden theologischen und kirchen­rechtlichen Fragen in Angriff nehmen. Ob dies im Rahmen der Arbeitsphase zwischen den Bischofssynoden 2014 und 2015 gelingt, soll erhofft, mag aber bezweifelt werden.
In seinem Vortrag anlässlich der Eröffnung des Konsistoriums am 20. Februar 2014 hat Kardinal Walter Kasper darauf hingewiesen, in welch vielerlei Hinsicht das Problem der wiederverheiratet Geschiedenen komplex und dornenreich ist. Mit Blick auf die bevorstehenden Bischofssynoden wurden konkrete Problematiken skiz­ziert, Fragen aufgeworfen und so mögliche Lösungswege jenseits von Laxismus und Rigorismus angedeutet. Kardinal Kasper illustriert die gegenwärtige Aporie durch ein Fallbeispiel eines zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen, der das Versagen auf der geschichtlichen Ebene des Mit-Seins in seiner ersten (zugleich sakramen­talen) Ehe bereut und die Verbindlichkeiten geklärt hat, der sich inzwischen in einer neuen (nichtsakramentalen) dauerhaften Lebenspartnerschaft befindet, welche man aufgrund der Kinder aus dieser Lebenspartnerschaft ohne neue Schuld nicht lösen könnte, und der sich bei aller Verfahrenheit in seinen Lebensverhältnissen trotz allem redlich müht, aus dem Glauben zu leben, wobei es ihn gemäß seiner Christus- und Kirchengliedschaft nach Teilhabe am sakramentalen Leben der Kirche verlangt. Wie kann man ihm das Sakrament der Buße und die Kommunion verweigern?
Sollen zivilrechtlich wiederverheiratete Geschiedene an der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert sein oder gehindert werden, so kann dies nicht anders als nach Maß­gabe des Rechts erfolgen. »Jeder Getaufte, der rechtlich nicht daran gehindert ist, kann und muss zur heiligen Kommunion zugelassen werden«. Durch diese Bestim­mung konkretisiert can. 912 CIC/1983 ein in der Christus- und Kirchengliedschaft zutiefst begründetes »Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe […] zu empfangen« (can. 213 CIC/1983). Cann. 915 und 916 benennen konkret, unter welchen Bedingungen ein Christgläubiger von der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert ist. Eine Nichtzulassung oder Nichtberechtigung zur Teilhabe am eucharistischen Mahl kann, abgesehen von Exkommu­nikation oder Interdikt, nur in der schweren Sünde begrün­det sein.
1. Dass eine solche im Fall der wiederverheirateten Geschiedenen definitiv vorliegt, blieb so lange kaum zu bestreiten, wie das Eherecht des CIC/1917 in Kraft und das dieser Regelung zugrunde liegende Eheverständnis maßgeblich anerkannt war. Von jenem Eheverständnis her, welches der Rechtsordnung des CIC/1917 zugrunde liegt, wird nachvollziehbar, dass u.a. Familiaris Consortio Nr. 84 den fortdauernden Widerspruch zur Unauflöslichkeit der Ehe an der geschlechtlichen Vereinigung mit einer anderen Person als dem eigenen Ehepartner festmacht, welche ei­nen Vertragsbruch des exklusiv eingeräumten ius in corpus bedeutet, was im Fall eines zivilrechtlich wiederverhei­rateten Geschiedenen zudem öffentlich manifestiert ist. Da gemäß CIC/1917 der bestehende Ehevertrag mit jedem neuen ehevertragsbrecherischen Geschlechtsakt immer wieder von neuem gebrochen wird (toties – quoties), kommt außer der Trennung vom neuen Partner höchstens eine Selbstverpflichtung auf eine enthaltsame Lebensweise in Frage, um nach Auffassung von Familiaris Consortio Nr. 84 nicht in fortwährender Sünde hartnäckig zu verhar­ren und zum Empfang der Sakramente wieder zugelassen werden zu können.
Das erneuerte Eheverständnis, welches durch Vat. II in GS 47-52 zum Ausdruck gebracht worden ist und Eingang in den CIC/1983 gefunden hat, kennt kein ius in corpus mehr. Stattdessen ist die Wesensbestimmung der Ehe als eine das ganze Leben einbeziehende Schicksalsgemein­schaft neu eingeführt worden (GS 48). Der Aspekt geschlechtlicher Vereinigung steht nicht für sich im Fokus, sondern steht als personale Ausdrucksform des gegensei­tigen Schenkens und Annehmens im direkten Zusammen­hang mit einer personalen Gemeinschaft des Lebens (GS 49). Insofern stellt sie auch ein vorzüglich geeignetes Ausdrucksinstrument für jene eheliche Gemeinschaft dar, welche in der Form des Ehesakraments vollzogen wird.
Eine sich möglicherweise auch in geschlechtlicher Gestalt ausdrückende gelebte personale Gemeinschaft eines zivilrechtlich Geschiedenen, der mit seinem früheren Lebenspartner, mit dem einst er eine sakramentale Ehe eingegangenen ist, keine personale Gemeinschaft mehr hat, verletzt in dieser Hinsicht kein Recht dieses früheren Partners. Es existiert nämlich kein ius in corpus als ein für sich bestehendes Anrecht, gegen welches durch spätere Geschlechtsakte mit einer anderen Person, mit der man sich zu diesem Zeitpunkt im Zustand der personalen Gemeinschaft befindet, verstoßen würde. Vielmehr ist infolge des Wegfalls des geschichtlichen Vollzugs der personaler Gemeinschaft mit dem früheren Ehepartner, mit dem die Ehe als Sakrament eingegangen worden ist, auch die personale Beziehungsgrundlage für jeglichen ge­schlechtlichen Ausdruck entfallen. Also begeht der Betreffende nicht ständig neu eine mit seinen Lebensver­hältnissen einhergehende, im geschlechtlichen Vollzug bestehende Sünde des Ehebruchs toties – quoties.
2. Darüber hinaus bleibt durchaus zu fragen, wie die Lebensverhältnisse des konkreten wiederverheirateten Geschiedenen auch ohne Bezug auf ein ius in corpus sittlich zu bewerten sind, ob oder inwiefern diese einen Akt der Sünde begründen. Für diese Beurteilung bleiben auch die Umwälzungen in Moralvorstellungen und Lebenswirklichkeiten nicht ohne Bedeutung sowie die Realitäten in dieser Welt, welche von Entfremdungen, Wunden und Strukturen der Sünde gezeichnet sind.
Für die Frage nach der Zulassung von wiederverheira­teten Geschiedenen zur Eucharistie bedeutet dies die Verlagerung von ehemals (straf-)rechtlichem auf moral­theologisches Terrain.
Von daher ist es auch Gegenstand der Auseinander­setzung, welcher Art und inwieweit moralische Kriterien an die Lebensführung für die Nichtberechtigung oder die Nichtzulassung zur Teilnahme am eucharistischen Mahl Relevanz besitzen und im konkreten Fall möglicherweise rechtsmindernde Wirkung entfalten. Familiaris Consortio Nr. 82 sah dies gegeben und bezeichnete den Zustand z.B. jener, die nur zivil getraut sind »für die Kirche unan­nehmbar«, weshalb auch »diese von den Hirten der Kirche leider nicht zu den Sakramenten zugelassen werden« können.
Die Frage nach der moralischen Bewertung der Le­bensverhältnisse bleibt Gegenstand der Auseinander­setzung. Offenbar ist angesichts der Umwälzungen und eines Wertewandels die Frage neu entbrannt, welche moralischen Anforderungen zeitbedingt-kontingent und damit hypothetisch und welche übergeschichtlich-katego­risch gelten. In diesem Zusammenhang steht die Erhebung in Vorbereitung auf die Bischofssynode 2014 durch einen neun Fragen umfassenden Fragebogen, der 2013 an alle Teilkirchen übermittelt worden ist.
3. Schließlich umfasst die Auseinandersetzung um die Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zum eucharistischen Mahl noch eine weitere, dogmatisch-theo­logische Dimension. Familiaris Consortio konstatiert: »Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Wider­spruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht.«
Sünde bezieht sich auf jenen Akt, welcher der Gnade zuwiderläuft. Und auch umgekehrt gilt: Was der Gnade zuwiderläuft, ist Sünde. Einen anderen Widerspruch gegen die Koinonia kann es nicht geben, der nicht unter das fallen würde, was als Sünde zu bezeichnen ist. Dies trifft auch auf den in Familiaris Consortio dargestellten Sach­verhalt eines »objektiven Widerspruchs« zu, der zwischen den Lebensverhältnissen des wiederverheirateten Geschie­denen und dem »Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht« konstatiert wird. Die Sünde richtet sich per se gegen Gott. Sie realisiert akthaft einen Widerstreit gegen Gott und beeinträchtigt dementsprechend die Koinonia. Auch der Sünde gegen Gott bezüglich des Ehesakraments kommt eben dieser Charakter zu. Jede Sünde ist konkret-individuell, wie jeder Akt der Liebe konkret einzigartig ist. Es ergibt sich kein andersartiger, abzugrenzender Typus von Sünde, der aus einer spezifischen Sakramentsform folgen würde. Alle Sakramente realsymbolisieren die eine und selbe und ganze Koinonia in einer mit der betreffenden Sakramentsform jeweils einhergehenden Ausdrucksgestalt.
Dadurch, dass das Ehesakrament in-über dem Mit-Sein der Ehepartner verwirklicht wird und insofern eine anschaulich bundesgestaltige Ausdrucksform aufweist, welche Eph 5,32 in Analogie zum Verhältnis Jesu Christi zur Kirche auslegt, ergibt sich keine antikoinonialere Sündhaftigkeit als es der Sünde selbst von ihrem innersten Wesenszug ohnehin eigen ist. Das Ehesakrament besteht nicht als eidetisch subsistierende Analogie (so lässt es sich allenfalls gestalthaft illustrieren), sondern als die Koinonia realsymbolisierende Wirklichkeit. Jedes Sakrament reali­siert die Verwirklichung des Anteils an der einen, wahren und ganzen Koinonia auf seine proprietäre realsymbo­lische Ausdrucksweise d.h. in einer dem konkreten Einzelsakrament zukommenden, geschichtlich-kontingen­ten Symbolgestalt. Es ist also nicht der Gnade nach auf einen eidetisch bestimmten (Teil-)Bereich zugerichtet, sondern seine Spezifikation bezieht sich auf die Aus­drucksgestalt. Ebenso wenig gibt es einen Bereich von irgendwie gearteten Sondersünden oder sonstigen Wider­sprüchen oder Tabus. Jeder Widerspruch zwischen einer Person, deren Leben stets in einer bestimmten Gestalt zum Ausdruck kommt, und der Koinonia, stellt jene Situation dar, welche Sünde ist. Diese aber ist stets akthafter Art.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern die Paradigmen­wechsel, welche um der adäquateren Reflexion der Wahr­heit willen in der Theologie implementiert worden sind, vom Status Quo her vielfach aber noch nicht hinreichend in Herz und Geist ratifiziert zu sein scheinen. Dies betrifft keineswegs nur das erneuerte Eheverständnis. Bevor nämlich »das erneuerte Eheverständnis des Zweiten Vati­kanischen Konzils nicht allgemein rezipiert ist, ist auch die herkömmliche Lehre und Praxis hinsichtlich der wieder­verheirateten Geschiedenen nicht aus den Angeln zu heben, da diese sich als zwangsläufige Konsequenz aus dem traditionellen kirchlichen Eheverständnis ergibt. Es ist also nichts dringlicher als die Rezeption des Eheverständ­nisses des Konzils.«
Bezüglich des Verständnisses von der Sünde ist ein Übergang von einer objektivistisch-gesetzhaften hin zu einer personal akzentuierten Sicht zu konstatieren, welche aus einer vertieften Einsicht in das Wesen der mensch­lichen Person und ihrer Geschichtlichkeit, in den Zusam­menhang von sittlichem Akt und Tatausdruck sowie die Relation von sittlichem Akt und Grundakt resultiert. Zudem ist eine Verlagerung des Fokus von Sünde im individualethischen Sinn hin zu sozialethischen Bezügen zu bemerken. So besteht inzwischen eine erhöhte Sensitivität für Strukturen der Sünde, worin die Menschen einer Zeit gemeinschaftlich verstrickt sind, ohne dabei stets individuelle Schuld letztlich zuweisen zu können (z.B. globale Erwärmung, Tragfähigkeit der Erde, Gewalt, Armut).
Eine vertiefte Einsicht in das pneumatische Wesen der Kirche hat die Vorstellung nicht nur weg vom societas-perfecta-Modell und hin zur Vorstellung vom pilgernden Volk Gottes geführt. Die Einsicht in die Würde der Person sowie in die Freiheit ihres Gewissens hat die Schutzbe­dürftigkeit des Einzelnen gegen den Zugriff der Institution bewusst gemacht. Für die Diskriminierung sog. Unwür­diger kann es unter den Bedingungen der erneuerten Ekklesiologie keinen Platz mehr geben.
Der Überstieg dinglich-gegenständlicher Kategorien zugunsten der realsymbolischen Wirklichkeit sowie die – noch immer erst anfänglich verinnerlichte – Einsicht in den stets erforderlichen trinitätstheologischen sowie pneu­matischen Fokus aller Theologie hat eine grundlegende Vertiefung der Theologie der Eucharistie sowie ein Bewusstsein um den eschatologischen sowie akthaften Charakter der Gnade und die Wirklichkeit der Koinonia ermöglicht. So braucht die Eucharistie nicht mehr reduktionistisch als Opfer plus Sakrament angesehen, sondern darf vom pneumatisch getragenen, realsymbo­lischen Vollzug der Koinonia im Kontext der Großtat Gottes her bedacht werden, der mit dem Leben der Kirche zuinnerst einhergeht.
Das Wissen um historische Fakten hat zu einer vertief­ten Einsicht in das Wesen der Zeugnisse der Heiligen Schrift geführt, die nicht etwa die News von damals dar­stellen. Diese Entwicklung geht einher mit einer Vertie­fung des Offenbarungsverständnisses weg von einer Instruktionstheorie top down hin zum Staunen vor dem Geheimnis der Selbstmanifestation Gottes in Jesus Chris­tus, der geschichtlich vollbrachten Großtat, worin die Grenzen dieser Welt in den Bereich des Eschaton hinein aufgebrochen sind, in welchem die Kreatur zur Teilhabe an Gottes eigener Koinonia berufen ist.
Darüber hinaus ist ein Paradigmenwechsel hin zu einer stärkeren Bewusstheit um Paradigmen zu bemerken. Da­durch wird ein Wissen um die Vorläufigkeit, Weghaftig­keit und Perspektivität unserer theologischen Aussagen befördert. Theologisches Denken unter den Bedingungen der irdischen Pilgerschaft bedeutet stets Theologie auf dem Weg.
Der nachfolgende Text geht im ersten Abschnitt der Frage der rechtmäßigen Einschränkung der Teilhabe am eucha­ristischen Mahl, d.h. der Nichtzulassung sowie der Nicht­berechtigung, aus kirchenrechtlicher Perspektive nach. Da die kirchenrechtliche Norm auf das Kriterium der Sünde hinausläuft, wird im zweiten Abschnitt zunächst die theo­logiegeschichliche Entwicklung des Sündenverständnisses nachgezeichnet, bevor vor diesem Hintergrund im dritten Abschnitt die dogmatische sowie moraltheologiesche Frage nach dem Wesen und der Beurteilung der Sünde reflektiert wird: von der Analyse des sittlichen Aktes her, in der Bestimmung des Verhältnisses von sittlichem Akt und Grundakt sowie sittlichem Akt und Tatausdruck, mit Blick auf die conditio des Menschen angesichts Gottes sowohl hinsichtlich des kreatürlichen Verhältnisses als auch in Bezug auf die Gnade. Vor diesem Hintergrund unternimmt der vierte Abschnitt eine Zusammenschau der Aspekte, welche für eine mögliche Einschränkung der Teilnahme von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl relevant sind. Der Abschnitt nimmt den Gegenstand der Sünde bei wiederverheirateten Ge­schiedenen in den Blick, bewertet deren zivile Wieder­heirat, grenzt diese gegen das Kriterium des ehevertrags­brecherischen Geschlechtsakts ab und versucht, die Sünde zu ermessen. Darüber hinaus werden die dogmatische Frage nach der Theologie der Eucharistie, den Zusammen­hang von Kirchengliedschaft und Eucharistiekoinonia sowie deren pneumatische Verankerung in der Gnade erörtert. Hieraus folgt das Ergebnis, dass die Feier der Eucharistie derart mit der Christus- und Kirchenglied­schaft einhergeht, dass ausschließlich der Totalakt bzw. ein auf diesen direkt hinauslaufenden Akt der Sünde die Koinonia selbst – und insofern auch die eucharistische Koinonia – aus Perspektive des Sünders bis an die Grenze des Erlöschens bringen würde.
So wird deutlich, wie sehr die Eucharistie-Koinonia tiefer reicht als jene Hindernisse und Widersprüche, welche die Kreatur auf ihren Abwegen und Umwegen in dieser Zeit überhaupt zu vollbringen vermag.


Die Feier der Eucharistie repräsentiert auf realsymbolische Weise die ganze Großtat Gottes: Die Erhebung seiner Schöpfung in die Teilnahme an der innersten Gemein­schaft mit ihm (Gnade), was koinoniale Teilhabe der Kreatur am Akt seines eigenen koinonial-trinitarischen Lebens bedeutet. Insofern stellt die Eucharistie den Inbegriff der Großtat Gottes dar, den Inbegriff der Sendung Jesu; sie realsymbolisiert die Gegenwart des in der Herrlichkeit des Vaters vollendeten, erhöhten Herrn inmitten der Seinen auf jene Weise, dass nämlich diese als sein heiliges Volk pneumatisch emporgehoben sind zur Teilhabe am eschatologischen Präsens der währenden Gegenwart Gottes. Pneumatisch mit Christus auf das Innerste verbunden, erhält der in die Gnade Erhobene An­teil an dessen eigener Kononia mit dem Vater.
In der Feier der Eucharistie vollzieht sich dieses Geheimnis zuhöchst real – nämlich auf realsymbolische Weise – und nicht etwa nur zeichenhaft, bildhaft oder welthaft. Eucharistie bedeutet realsymbolisch verwirklich­ende Teilhabe am Leben Gottes und insofern realisierte Vollendung, realisiertes Heil. In dieser Wirklichkeit der Gnade existiert die Kirche als ganze, existiert jedes einzel­ne Glied. Insofern lebt die Kirche in und aus der Eucha­ristie; gleichwie lebt jedes ihrer Glieder in und aus der Eucharistie. Die Feier der Eucharistie erscheint als Exis­tential der Kirche, als Existential eines jeden im Pneuma Emporgehobenen, seine Lebensantwort gebenden Glau­benden.
Wie die Taufe unaufhebbar, Christus- und Kirchen­gliedschaft ergo unverlierbar sind, so bleibt jedes Glied der Kirche auf die Feier der Eucharistie als die innere Mitte im Grundvollzug des kirchlichen Lebens verwiesen. Die Mit­feier der Eucharistie stellt keine persönliche Frömmig­keitsübung dar, sondern bedeutet den Grundvollzug des eigenen kirchlichen Lebens bzw. des Gnadenlebens. Vor diesem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung der Eucharistie erscheint die Möglichkeit einer sanktionierten auch nur partiellen Einschränkung der de facto Eucha­ristiegemeinschaft unterhalb des Kriteriums der Todsünde falsifiziert, auch insofern dies die Kommunion-Teilhabe am eucharistischen Mahl betrifft.
Bei der Feier der Eucharistie sind hinsichtlich ihres real­symbolischen Charakters von ihrer grundlegenden escha­tologischen und ökonomischen Wesensform, welche die Dimensionen dieser Welt qualitativ übersteigt, bestimmte Aspekte zu unterscheiden, die der welthaften Seite der liturgischen Feier geschuldet sind und denen in welthafter Perspektive eine Außenansicht zukommt. Dies betrifft etwa die Mahlgestalten von Brot und Wein, der raum-zeitlich konkrete Ereignischarakter der Feier, die iterative Versammlung durch die Zeiten an allen möglichen Orten bis an die Enden der Erde, Momente der Vollzugsform der Feier und die damit einhergehenden Dienste.
Die grundlegenden koinonialen, eschatologischen und ökonomischen Aspekte der Eucharistie sind der Kirche vorgegeben und somit einer kirchlichen Disposition nicht verfügbar, lediglich der theologisch-reflexiven Aneignung im Glauben aufgegeben. Demgegenüber handelt es sich bei den letzteren um kontingente Aspekte, welche nicht die grundlegende eschatologische und ökonomische Bedeu­tung der Eucharistie direkt betreffen, sondern die in dieser Zeit möglichst adäquat durch die Kirche zu disponieren sind. Mögliche Sanktionierungen von Kirchengliedern aus gerechtem Grund können sich entlang derartiger kontin­genter Aspekte – und nur dieser Aspekte – erstrecken (S. 29). Derartiges zu regeln ist Gegenstand des kirchlichen Rechts.
Der iterative Charakter der Feier der Eucharistie durch die Zeiten könnte vordergründig die Meinung stützen, dass die Frage nach der wiederholten Teilnahme am eucharis­tischen Mahl d.h. die Anzahl der Kommunionen eine nicht heilsnotwendige Frage betreffen und insofern einen kon­tingenten Aspekt darstellen würde, so dass eine Nichtzu­lassung eines Sünders zur Kommunion, welcher in seinem Leben bereits Eucharistie gefeiert und am eucharistischen Mahl Anteil erhalten hat, vom Prinzip her möglich erscheinen würde.
Tatsächlich ist es die die eine Koinonia des himm­lischen Hochzeitsmahls (Jes 25,6-8;. Offb 19,7-9; Mk, 14,26; Mt 26,29; Lk 22,16), welche in der Feier der Eucharistie realsymbolisch verwirklicht wird und daher geschichtlich iterativ zum Ausdruck kommt. Der itera­tive Charakter der Feier der Eucharistie ergibt sich aus den raum-zeitlich bestimmten Bedingungen der irdischen Pilgerschaft und beruht auf dem im Herrenwort überlie­ferten Auftrag. In der Eucharistie gibt sich Jesus selbst den Seinen zuteil. Die besonderen Deuteworte Jesu, mit denen er beim Letzten Abendmahl seinen ganz persönlichen Akzent setzt und so dieser Geste im Sinne einer Zeichen­handlung eine einzigartige Bedeutung verleiht, als er im Angesicht seiner bevorstehenden Auslieferung und seines Sterbens Brot und Kelch den Seinen darreicht, machen dies deutlich. Das ausdeutende Wort »τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου / Dies ist mein Sōma« (Mk 14,23) setzt einen un­mittelbaren Bezug zwischen dem Brot dieses Mahles und Jesus selbst, der sich darin als unter Einschluss von allem, was sein Leben ausmacht, dargibt: sein Personsein, seine Sendung, sein Leben und Wirken, seine Proklamation der Basileia, seine Beziehung zum Vater. Hierin zeigt sich der Bund Gottes mit seinem erwählten Volk in einen gleichsam neuen Bund überhöht.
Die Feier der Eucharistie erscheint insofern auf das eucharistische Mahl als ihrem inneren Ziel ausgerichtet. Grundsätzlich ist daher die Teilnahme eines Gläubigen an der Feier der Eucharistie auch auf die de facto Teilnahme am eucharistischen Mahl hingeordnet.
Sich immer wieder zur Feier der Eucharistie zu versammeln und am eucharistischen Mahl teilzunehmen beschreibt ein keineswegs kontingentes Moment für das Leben eines Gläubigen. Die Anzahl der gefeierten »Messen« oder erhaltenen »Kommunionen« erscheint zwar in quantitativer Hinsicht unerheblich, da alle Häufig­keiten im eschatologischen Präsens konvergieren. Dage­gen aber ist der iterative, das eigene Leben durchformende Charakter der Feier der Eucharistie keineswegs einfachhin kontingent. Dabei handelt es sich weniger um den bloß wiederholten »Empfang« eines Einzelsakraments als viel­mehr um die beständige Realisierung jenes Existentials, das die Feier der Eucharistie im Sinne eines Grund-, Ur- oder Wurzelsakraments sui generis für das Leben der Kirche sowie des einzelnen Glaubenden darstellt. Insofern aber erscheint das Moment der Christus- und Kirchen­koinonia von jenem der Eucharistiekoinonia der Wirklich­keit nach nicht zu trennen.
Der Impetus der Sünde läuft der Gnade zuwider, an wel­cher teilzuhaben all jenen unwiderruflich geschenkt ist, denen die Gabe des Geistes zuteil geworden ist und die auf diese Weise mit Jesus Christus in seiner Koinonia mit dem Vater verbunden sind. Die Sünde ist immer – zumindest auch – ob thematisch oder unthematisch gegen Gott gerichtet. Die Sünde läuft in ihrer Dynamik der Gnade zuwider und verhält sich anti-pneumatisch, anti-koinonial, anti-ekklesial, anti-sakramental.
Somit ist die Sünde per se anti-eucharistisch ausgerich­tet. Dabei ist der Sünder in einer Weise disponiert, welche dem Vollzug des Lebens in und aus der Gnade zuwider­läuft. Den Inbegriff des Vollzugs des Lebens in und aus der Gnade stellt aber die Feier der Eucharistie dar, und zwar auf realsymbolische Weise zuhöchst verdichtet, indem sie die noch auf dem Weg der irdischen Pilgerschaft befindlichen Glieder der Kirche de facto in die Teilhabe am eschatologischen Präsens der währenden Gegenwart Gottes erhebt und der Koinonia in realsymbolischer Weise teilhaftig werden lässt.
Sünder und Teilhabe an der Eucharistie: Was als innerer Widerspruch erscheinen mag, ist durch Gottes Großtat selbst überwunden. Die Sendung Jesu Christi zielt in Vollendung des Pascha-Mysteriums auf die Gabe des Geistes, welche all jene, die zu Christus gehören, ihm derart einverleibt, dass sie an seiner Vollendung beim Vater, an seiner Koinonia d.h. an seiner innersten Lebensgemeinschaft mit dem Vater selbst teilhaben. Dies bedeutet Gnade. Sie sind durch Gott selbst in die Gnade gesetzt, obwohl Sünder-Sein und In-der-Gnade-Sein ein­ander eigentlich ausschließen.
Jeder trägt, insoweit er Sünder ist, eine Ausrichtung gegen Gott, gegen seine Liebe, gegen das Erhobensein in die Gnade mit in sich, und zwar keineswegs nur äußerlich. Der Sünder ist Sünder nicht im Sinne einer sekundären Eigenschaft, sondern hinsichtlich seines Daseins. Zum Sünder wird er durch den Akt der Sünde, welchen er in Freiheit vollbringt, und welcher sich in Taten der Sünde ausdrückt.
Sünde bezieht sich auf jenen Akt, welcher der Gnade zuwiderläuft. Und auch umgekehrt gilt: Was der Gnade zuwiderläuft, ist Sünde. Einen anderen Widerspruch gegen die Koinonia kann es nicht geben, der nicht unter das fallen würde, was als Sünde zu bezeichnen ist. Dies trifft auch auf den in Familiaris Consortio dargestellten Sach­verhalt eines »objektiven Widerspruchs« zu, der zwischen den Lebensverhältnissen des wiederverheirateten Geschie­denen und dem »Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht« konstatiert wird. Die Sünde richtet sich per se gegen Gott. Sie realisiert akthaft einen Widerstreit gegen Gott und beeinträchtigt dementsprechend die Koinonia. Auch der Sünde gegen Gott bezüglich des Ehesakraments kommt eben dieser Charakter zu. Jede Sünde ist konkret-individuell, wie jeder Akt der Liebe konkret einzigartig ist. Es ergibt sich kein andersartiger, abzugrenzender Typus von Sünde, der aus einer spezifischen Sakramentsform folgen würde. Alle Sakramente realsymbolisieren die eine und selbe und ganze Koinonia in einer mit der betref­fenden Sakramentsform jeweils einhergehenden Aus­drucksgestalt.
Dadurch, dass das Ehesakrament in-über dem Mit-Sein der Ehepartner verwirklicht wird und insofern eine anschaulich bundesgestaltige Ausdrucksform aufweist, welche Eph 5,32 in Analogie zum Verhältnis Jesu Christi zur Kirche auslegt, ergibt sich keine antikoinonialere Sündhaftigkeit als es der Sünde selbst von ihrem innersten Wesenszug ohnehin eigen ist. Das Ehesakrament besteht nicht als eidetisch subsistierende Analogie (so lässt es sich allenfalls gestalthaft illustrieren), sondern als die Koinonia realsymbolisierende Wirklichkeit. Jedes Sakrament reali­siert die Verwirklichung des Anteils an der einen, wahren und ganzen Koinonia auf seine proprietäre realsymbo­lische Ausdrucksweise d.h. in einer dem konkreten Einzelsakrament zukommenden, geschichtlich-kontingen­ten Symbolgestalt. Es ist also nicht der Gnade nach auf einen eidetisch bestimmten (Teil-)Bereich zugerichtet, sondern seine Spezifikation bezieht sich auf die Aus­drucksgestalt. Ebenso wenig gibt es einen Bereich von irgendwie gearteten Sondersünden oder sonstigen Wider­sprüchen oder Tabus. Jeder Widerspruch zwischen einer Person, deren Leben stets in einer bestimmten Gestalt zum Ausdruck kommt, und der Koinonia, stellt jene Situation dar, welche Sünde ist. Diese aber ist stets akthafter Art.
Jeder Akt der Sünde ist auf den Grundakt des Person­seins bezogen, mit diesem jedoch nicht gleichzusetzen, weil dieser die Gesamtheit des leiblich vermittelten, über die ganze Lebenszeit sich erstreckenden Freiheitsvollzugs der Person darstellt. Erst in der Ganzheit des Lebens ent­scheidet das Subjekt über die Grundoption, wobei einige Akte des Selbstvollzugs im Verlauf der Lebenszeit stärker den Personkern prägen als andere. Überdies vermag das Subjekt kraft seiner Geistigkeit sich auch zu dieser Dispo­sition nochmals zu verhalten, Neubewertungen treffen und das eigene Leben adjustieren. Erst im Grundakt des Per­sonseins spitzt sich der über die Lebenszeit aufgespannte geschichtliche Freiheitsvollzug des Subjekts zu auf die Entscheidung des Entweder – Oder im Verhältnis zu Gott d.h. auf die Antwort des Ja oder Nein zum Anruf Gottes.
Unterhalb des finalen Totalaktes eines Ja oder eines Nein zum Anruf Gottes bleibt die Existenzweise eine gemischte, aus Akten der Sünde und Akten der Liebe bestehend. Unterhalb des Totalaktes bleibt das Sündersein stets ein partielles, die Gabe der Koinonia durch die Gabe des Geistes aber wirkt absolut. Ersteres bezieht sich auf das kontingente Tun des Menschen, letzteres auf Gottes absolutes Wirken. Unterhalb des Totalaktes bleibt die Sünde zeitlicher Art, die Gnade aber besteht hinsichtlich der währenden Gegenwart der Ewigkeit Gottes und ist eschatologisch. Die Sünde ist der Gnade inkommensu­rabel.
Aufgrund der gemischten Existenzweise in der Zeit ist es möglich und auch de facto nicht anders verwirklicht, als dass die zur Eucharistie versammelte Gemeinschaft der Kirche eine Gemeinschaft von Geheiligten darstellt, die zugleich alle auch Sünder sind, wobei das Geheiligtsein das Sündersein unterfasst. »Wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden« (Röm 5,20).
Auch der Sünder bleibt Christus im Heiligen Geist zugehörig, selbst wenn dies in Konsequenz bedeutet, dass alle übrigen Glieder des Leibes in dieser Hinsicht an diesem einen Glied und an seiner Sünde sowie an deren Auswirkungen mitzuleiden haben. Tatsächlich sind sogar alle Glieder der Kirche Sünder, größere oder kleinere, so dass die Kirche unter den Bedingungen der irdischen Pilgerschaft nicht anders denn als ecclesia permixta existiert: Die Grenze von Heiligkeit und Sünde geht mitten durch die Kirche hindurch, wie auch die Grenze von Heiligkeit und Sünde mitten durch das Herz des Einzelnen verläuft, wobei die konkreten Gestalten und Verständnis­modelle von Heiligkeit und Sünde je nach Epoche durch­aus variieren.
Mag die Sünde noch so groß und schwerwiegend sein – solange sie nicht total ist, kann die Teilhabe an der Eucharistie nicht verunmöglicht sein, weil die Eucharistie tiefer reicht als die Sünde weit. Wie die Taufe unaufheb­bar, Christus- und Kirchengliedschaft ergo unverlierbar sind, so bleibt jedes Glied der Kirche auch auf die Feier der Eucharistie als die innere Mitte im Grundvollzug des kirchlichen Lebens verwiesen. Wer sich zur Feier der Eucharistie versammelt, folgt diesem Ruf Gottes nicht nur in Realisierung der objektiv bestehenden Gnade als ein mit der Fülle des Heiligen Geistes Beschenkter, sondern auch als ein Glaubender, der im Vollzug seines Glaubensaktes auf den Ruf Gottes antwortet und von daher zum Teilnehmen an der Eucharistie überhaupt erst motiviert ist. Ansonsten würde man nicht hinzutreten.
Unterhalb der Todsünde im eigentlichen Sinn, dem Totalakt des finalen Nein, worin der Sünder die Berufung zur Teilhabe am himmlischen Hochzeitsmahl abweist, würde nur derjenige geschichtliche Akt der Sünde, der dem Grundakt der finalen Todsünde direkt korrespondiert, dem Selbstausschluss vom Mahl des Lammes entsprechen, welches realsymbolisch geschichtlich vermittelt ist in der konkreten Versammlung der Kirche zur Feier der Eucha­ristie. Eine derartige Sünde könnte aufgrund des direkten Bezugs zur finalen Todsünde im analogen Sinn als Todsünde bezeichnet werden. Ein solcher Sünder – ein Grenzfall möglicher Sünde überhaupt – würde sich ins Abseits von der eucharistischen Koinonia stellen, wenn er sich unter Aufbietung seiner ganzen Existenz in einem gezielten Akt der Sünde bewusst und frei und total gegen Gott wendet, wenn er die Koinonia – soweit es an ihm liegt – bis an die Grenze des Erlöschens zu bringen und sich von dieser Koinonia loszusagen sucht. Dieser aber wird gerade nicht die eucharistische Koinonia suchen, sich zur Eucharistie versammeln und zum eucharistischen Mahl hinzutreten. Vielmehr wird er davor zurückschrecken, wie sprichwörtlich der Teufel das Weihwasser scheut. Ein solcher Sünder würde die Eucharistie fliehen und nicht suchen. Auch dieser wäre selbst dann noch von Gottes Liebe unterfasst, und würde somit ein Geladener bleiben. Er verliert nicht den Platz am Tisch des Herrn, auf den dieser ihn geladen hat. Der Herr wird ihm nachgehen und auf ihn warten. Wohl aber bliebe dieser Platz aus der Perspektive der irdischen Pilgerschaft wohl bis auf weiteres leer.
Unterscheidend ist die konkrete Beschaffenheit der Sünde in ihrer Korrespondenz zur Todsünde im eigent­lichen Sinn: Will sich jemand von der Koinonia lossagen oder will er dies nicht. Weil die Feier der Eucharistie von derart grundlegender Bedeutung ist, müsste auch die Sünde derart grundlegend ausgerichtet sein, dass sich der Sünder aktiv, bewusst und frei von der Koinonia loszusa­gen und diese bis an den Rand des Erlöschens zu bringen sucht. Ein Akt der Sünde, der nicht die Lossagung von Gott und die Zurückweisung seines Gnadenangebots aktiv, bewusst und frei intendieren würde, wäre aber nicht derart weitreichend, um die Teilhabe der Person an der Koinonia in ihren Grundfesten derart zu beeinträchtigen. Wer sich nicht in der äußersten Weise gegen Gott richtet, sondern aufgrund der Gnade in der eucharistischen Koinonia steht, wenngleich aber durch schwere Sünde beladen ist, soll diese zunächst dem Herrn anheimstellen und Vergebung erhalten, um dann als Erlöster den Anteil an der Koinonia mit dem Herrn zu vollziehen.
Die Trennung von Gott von Seiten des Sünders setzt die wirkliche Intention dieser Trennung sowie deren effektive Realisierung voraus. Erst damit wäre auch die Eucharistiekoinonia bis auf weiteres ausgesetzt. Damit diese Konsequenz eintritt, müsste die koinoniawidrige Sünde weitreichender sein als die Eucharistie für das Leben in der Gnade tiefgreifend ist. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Eucharistiekoinonia würde voraus­setzen, dass der betreffende Sünder eine erhebliche Beein­trächtigung seines ihm zuteil gewordenen gnadenhaften Verhältnisses intendiert und herbeigeführt hat. Ein derart schwerwiegender Akt könnte nur im höchsten Vollzug der eigenen Freiheit und im vollen Bewusstsein erfolgen. Keineswegs aber kann ein derart schwerwiegender Akt der Trennung gegen Gott als Implikation aus einer bestimmten Tatsünde einfachhin geschlussfolgert werden.
Daher erscheint es unabdingbar, vor schwerwiegenden Schlussfolgerungen über eine Gruppe von Christgläubigen seitens der Kirche den jeweiligen Einzelfall differenziert zu würdigen. Auf diese Weise ließe sich beurteilen, ob in Qualität und Ausmaß der Sünde – freilich ohne diese exakt ermessen zu können – die relevante Grenze erreicht ist: Ob nämlich der Sünder sich tatsächlich bewusst und frei und gänzlich gegen Gott gewendet hat und die Koinonia – soweit es an ihm liegt – bis an die Grenze des Erlöschens zu bringen suchte – oder ob er dies nicht getan hat, sondern vielmehr noch immer sein Leben in Gottes Hand weiß, Zuflucht beim Herrn sucht und zur Eucharistie sogar hinstrebt statt diese zu fliehen. Das Vorliegen oder Nicht­vorliegen der Todsünde lässt sich also nicht nach kasuis­tischer Art aus dem bloß materialen Tatbestandsmuster ableiten, ohne den Akt der Sünde selbst eigens in den Blick zu nehmen, zu hinterfragen und wahrheitsgemäß mit Blick auf den Sünder zu beurteilen.
Wäre die Feier der Eucharistie nur symbolischer Art, wäre eine Nichtzulassung zur Mahlteilnahme als Sanktion auf der Grundlage eines strafrechtlich definierten Tat­bestands ohne weiteres möglich. Tatsächlich aber stellt die Feier der Eucharistie den tatsächlichen Vollzug der ganzen Großtat Gottes auf realsymbolische Weise dar: die Erhe­bung der Schöpfung durch Gott zur koinonialen Teilhabe der Kreatur am Akt seines eigenen koinonial-trinitarischen Lebens, d.h. die realsymbolische Teilhabe am eschato­logischen Präsens der währenden Gegenwart Gottes. Insofern lebt die Kirche in und aus der Eucharistie, und lebt jedes ihrer Glieder in und aus der Eucharistie. Die Feier der Eucharistie erscheint als Existential der Kirche, als Existential eines jeden im Pneuma emporgehobenen Glaubenden. Dies ist an Relevanz nicht zu überbieten. Für eine Aussetzung der Eucharistieteilhabe müsste die Sünde also noch weitreichender sein als die Eucharistie für das Leben in der Gnade tiefgreifend ist.
Insofern erscheint die bis heute verbreitete Praxis un­angemessen, die Eucharistiekoinonia standardmäßig auf­grund einer bestimmten Klasse von material definierten Sündentatbeständen als ausgesetzt zu betrachten bzw. eine Gruppe von Gliedern aus dem Volk Gottes vom eucharis­tischen Mahl per Sanktion auszuschließen und deren volle Mitfeier der Eucharistie zu untersagen.
Kirchliche Sanktionen aufgrund definierter Straftat­bestände sind nur insofern möglich, soweit sie nicht den Bereich der Gnade selbst betreffen, d.h. die Teilhabe an der Feier der Eucharistie einschließlich des Mahles, auf das die Eucharistiefeier selbst ausgerichtet ist, sondern sich auf kontingente und disponible Aspekte wie etwa den Ausschluss von sichtbaren Diensten o.ä. erstrecken.
Die Kirche verkündet Gottes Großtat und verwaltet die irdischen Gefäße dieser Gnade. Sie verfügt aber nicht über die Gnade selbst, sondern vielmehr wirkt sie als Instrument des Heils für die Glieder des Leibes unter den Bedingungen der irdischen Pilgerschaft. Diese sind dem Ideal der im Leben zu verwirklichenden Gnade verpflich­tet, stehen aber doch zugleich unter den Realitäten des Alltäglichen. In dieser Situation kommt ihnen die Kirche entgegen und verkündet ihnen das Evangelium.

Die zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen haben gegen den einander zugesagten Bund der Liebe, welcher in der positiven Dynamik des gegenseitigen Schenkens und Annehmens in sakramentaler Hinsicht die Koinonia selbst realsymbolisch verwirklicht, gesündigt – gegeneinander, gegen Gott, gegen die Gemeinschaft der Kirche. Ihnen ist das Mit-Sein zerbrochen, welches auf der Ebene des empi­rischen, geschichtlichen Lebensvollzugs die elementare Grundlage für die realsymbolische Verwirklichung der Koinonia darstellt. Ihr Versagen ist ein geschichtliches, auch wenn die im Sakrament in geschichtlicher Hinsicht realsymbolisch verwirklichbare Koinonia selbst eschato­logisch ist. Das Symbol ist zerbrochen, nicht aber die Koinonia, welche in diesem Symbol das ganze Leben umfassend realsymbolisiert werden sollte. Das gescheiterte Mit-Sein und die damit einhergehende nicht mehr geschichtlich fortgesetzte Verwirklichung der ehesakra­mentlich-realsymbolischen Vermittlung verunmöglicht nicht den grundlegenden, in der Gabe des Geistes besie­gelten, ihnen zuteil gewordenen Anteil an Koinonia.
Zwar betrifft die Sünde gegen das Ehesakrament infolge dessen eschatologischer Akthaftigkeit durchaus den Grundakt der Person, dies jedoch in-über der Gemein­schaft in Leben und Liebe auf geschichtlich vermittelte Weise. Die Sünde im Zusammenhang mit dem geschicht­lichen Scheitern an der Verwirklichung der Ehe ist aber nicht eschatologischer, sondern geschichtlicher Art. Sie bezieht sich auf Freiheitsakte des Menschen, welche dem Grundakt korrespondieren, nicht aber mit dem Grundakt selbst gleichzusetzen sind. Die ursächlich für das Zer­brechen des geschichtlich-ehelichen Mit-Seins verantwort­liche Sünde kann daher als geschichtlich abgeschlossen bewertet, vor Gott gestellt und vergeben werden.
Die zivilrechtlich wiederverheirateten Geschiedenen versündigen sich nicht je-neu durch eine spätere partner­schaftliche außersakramentale Lebensform gegen das geschichtlich zerbrochene, nicht mehr restituierbare Mit-Sein, welches die Gegebenheitsweise der eschatologische bewahrheiteten Ehe zur Darstellung bringen sollte. Der Ehebund besteht nicht in einem einender eingeräumten ius in corpus – wie es vormals der CIC/1917 zur Aussage brachte. Vielmehr steht die Sexualität als personale Aus­drucksform des gegenseitigen Schenkens und Annehmens im unmittelbaren Zusammenhang mit einer personalen Gemeinschaft des Lebens. Nur insofern stellt sie auch ein vorzüglich geeignetes Ausdrucksinstrument für jene eheliche Gemeinschaft dar, welche in der Form des Ehe­sakraments vollzogen wird. Eine derartige geschichtlich gegebene Lebensgemeinschaft in Liebe besteht mit dem vormaligen Partner nicht mehr.
Die Ausdrucksgestalt folgt dem Auszudrückenden, der Ausdruck der tatsächlichen personalen Gemeinschaft. Eine sich möglicherweise auch in geschlechtlicher Gestalt ausdrückende gelebte personale Gemeinschaft eines zivil­rechtlich Geschiedenen, der mit seinem früheren Lebens­partner, mit dem er einst eine sakramentale Ehe einge­gangenen ist, keine personale Gemeinschaft mehr hat, verletzt kein Recht des früheren Partners. Es existiert nämlich kein ius in corpus als ein für sich bestehendes Anrecht, gegen welches durch spätere Geschlechtsakte mit einer anderen Person, mit der man sich zu diesem Zeit­punkt im Zustand der personalen Gemeinschaft befindet, verstoßen würde. Vielmehr ist infolge des Wegfalls des geschichtlichen Vollzugs der personaler Gemeinschaft mit dem früheren Ehepartner, mit dem die Ehe als Sakrament eingegangen worden ist, auch die personale Beziehungs­grundlage für jeglichen geschlechtlichen Ausdruck entfal­len. Also begeht der Betreffende nicht ständig neu eine mit seinen Lebensverhältnissen einhergehende, im geschlecht­lichen Vollzug bestehende Sünde des Ehebruchs toties – quoties, wie dies aus der Perspektive des CIC/1917 einstmals beurteilt wurde.
Sollen sog. wiederverheiratete Geschiedene an der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert sein oder gehindert werden, so kann dies nicht anders als nach Maßgabe des Rechts erfolgen. »Jeder Getaufte, der recht­lich nicht daran gehindert ist, kann und muss zur heiligen Kommunion zugelassen werden«. Durch diese Bestim­mung konkretisiert can. 912 CIC/1983 ein in der Christus- und Kirchengliedschaft zutiefst begründetes »Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe […] zu empfangen« (can. 213 CIC/1983). Cann. 915 und 916 benennen kon­kret, unter welchen Bedingungen ein Christgläubiger von der Teilhabe am eucharistischen Mahl gehindert ist. Eine Nichtzulassung oder Nichtberechtigung zur Teilhabe am eucharistischen Mahl kann, abgesehen von Exkommuni­kation oder Interdikt, nur in der schweren Sünde begründet sein. Das Vorliegen einer derartigen Sünde ist jedoch aus den dargestellten Gründen nicht per se mit dem äußeren Tatbestand einer zivilrechtlichen Wiederheirat eines zivilrechtlich Geschiedenen assoziiert.
Die heutige Situation der wiederverheirateten Geschie­denen erfordert nicht, dass man ihnen eine besondere Form der Barmherzigkeit gewähre. Vielmehr geht es darum, ihnen ihr Recht zuteilwerden zu lassen, ohne dass der Umgang mit ihnen durch Interpretationsmuster aus dem ehevertragsrechtlichen Verständnis des CIC/1917 oder aus der Perspektive bestimmter gesellschaftlicher, jedoch zeitbedingt-kontingenter Wertvorstellungen überlagert wird. Eine solche Überlagerung würde die Glaubenslehre über die Gnade nicht befördern, sondern den Blick auf die Tiefe der Wahrheit verstellen. Der Handlungsbedarf besteht insofern vordringlich in einer Vertiefung der theologischen Reflexion über das Wesen der Gnade und der Eucharistie. In diesem Kontext gilt es, eine wahre Aneignung des erneuerten Eheverständnisses in Herz und Geist zu befördern. Dies zu erreichen, kann die Ausein­andersetzung um den Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen als Katalysator dienen.


Einen Überblick bietet Belliger, Andrea: Die wiederverhei­rateten Geschiedenen. Eine ökumenische Studie im Blick auf die römisch-katholische und griechisch-orthodoxe (Rechts-)Tradi­tion der Unauflöslichkeit der Ehe (MK zum CIC, Beiheft 26), Essen 2000, 42-82. Einen Überblick über die Verlautbarungen der Kongregation für die Glaubenslehre bietet Voderholzer, Rudolf (Hg.): Zur Seelsorge wiederverheiratet Geschiedener. Dokumente, Kommentare und Studien der römischen Glaubens­kongregation (Römische Texte und Studien 6), Würzburg 2014

Vgl. das durch Johannes Paul II. in Anlehnung an Proposition 14 der Bischofssynode von 1980 formulierte nachsynodale Apostolische Schreiben »Familiaris Consortio« vom 22. Novem­ber 1981, Nr. 84; Bischofssynode vom Oktober 2005 mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben »Sacramentum Carita­tis« Bendikt XVI. vom 22. Februar 2007, Nr. 29

Instrumentum laboris zur III. Außerordentlichen General­versammlung unter dem Thema »Die pastoralen Herausforde­rungen im Hinblick auf die Familie im Kontext der Evangeli­sierung«, Vatikanstadt 2014, nn.92-95

Kasper, Walter: Das Evangelium von der Familie. Die Rede vor dem Konsistorium, dt. Freiburg 2014, 65-66

http://www.vatican.va/roman_curia/synod/documents/rc_synod_doc_20131105_iii-assemblea-sinodo-vescovi_ge.html

Kaiser, Matthäus: Warum dürfen wiederverheiratete Geschiedene (nicht) zu den Sakramenten zugelassen werden?, in: StdZ 118 (1993) 741-751; 744 – auch nach mehr als zwei Jahrzehnten bleibt diese Feststellung so aktuell wie je zuvor.

Daraus ergibt sich die unbedingte Interpretationsbedürftigkeit aller Schriftzeugnisse, die das Zeugnis der Zeugen auf ihre spezifische Weise zum Ausdruck bringen, vom Kontext Ihrer abzufassenden Botschaft her und auf das je neu zu vergegen­wärtigende theologische Verständnis der Wahrheit hin. Im Hinblick auf Textstücke wie Mk 10,2-12 bemerkt Gerd Häfner auf Basis neutestamentlicher Untersuchungen, wie sehr der biblische Befund »viel weniger eindeutig als angenommen« sei. Häfner, Gerd: Ehescheidung und Wiederheirat – Neutestament­liche Aspekte, in: Garhammer, Erich; Weber, Franz (Hg.): Scheidung - Wiederheirat - von der Kirche verstoßen? Für eine Praxis der Versöhnung, Würzburg (2012) 101-117


»Darum verwirklicht sich auf sakramentale Weise in jeder Eucharistiefeier die eschatologische Zusammenkunft des Gottesvolkes. Das eucharistische Mahl ist für uns eine reale Vorwegnahme des endgültigen Festmahles, das von den Propheten angekündigt (vgl. Jes 25,6-9) und im Neuen Testament als ›Hochzeitsmahl des Lammes‹ (vgl. Offb 19,7-9) beschrieben wird; es soll in der Freude der Gemeinschaft der Heiligen gefeiert werden.« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben »Sacramantum Caritatis« Bendikt XVI. vom 22. Februar 2007, Nr. 31)

Thomas Schumacher: Teilhabe von Teilhabe von wiederverheirateten Geschiedenen am eucharistischen Mahl. Problematik und Lösung aus theologischer Sicht

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